Auction 148 Part 8 Contemporary Art
By Auktionshaus im Kinsky GmbH
Dec 5, 2024
Palais Kinsky Freyung 4 A-1010 Wien, Germany
The auction has ended

LOT 4021:

Günter Brus: o.T. (Aktionszeichnung)

catalog
  Previous item
Next item 
Sold for: €38,000
Start price:
15,000
Estimated price :
€15,000 - €30,000
Buyer's Premium: 25%
VAT: 19% On commission only
Users from foreign countries may be exempted from tax payments, according to the relevant tax regulations
Auction took place on Dec 5, 2024 at Auktionshaus im Kinsky GmbH
tags:

Günter Brus: o.T. (Aktionszeichnung)
Günter Brus
o.T. (Aktionszeichnung)
1965
Graphit auf Papier; ungerahmt
etwa 62 x 47 cm
Datiert und signiert rechts unten: 2. Feb 1965 Brus
direkt vom Künstler erworben;
seither Privatbesitz, Wien
Günter Brus gehört gemeinsam mit Rudolf Schwarzkogler zu den schonungslosesten und radikalsten Vertretern des Wiener Aktionismus. Der Körper, und hier ist es auch vielfach der eigene, wird in den Mittelpunkt der Kunst gestellt: in den Aktionen, auf Fotografien und im Fall von Günter Brus auch in den Zeichnungen der frühen 1960er Jahre.

Vorliegende seltene frühe Aktionszeichnung ist 1965 im Jahr der Aktion "Wiener Spaziergang" entstanden. Komplett weiß bemalt spaziert Günter Brus als lebendiges Kunstwerk durch Wien. Kurz danach findet die Aktion "Malerei – Selbstbemalung – Selbstverstümmelung" statt. In ihrem expressiven Stil verweist sie auf jenen schonungslosen Realismus, dem Egon Schiele in Österreich den Weg bereitete. Wir sehen einen fragmentierten Körper, der wie bei einer Obduktion aufgeschnitten und wieder zusammengenäht wurde. Auch die Schädeldecke wurde geöffnet. Die gequälte Kreatur, die trotz des erlebten Martyriums noch lebendig zu sein scheint, hat den Kopf in den Nacken gelegt. Sie hat keine Arme und verstümmelte Beine, die Stümpfe der Oberschenkel baumeln ins Leere. Der nervöse Strich, mit dem die Figur erfasst ist, zieht sich über die Umrisse der Gestalt hinaus in den Raum hinein. Er ist mit derartiger Vehemenz aufgesetzt, dass der Graphitstift regelrechte Kerben im Papier hinterlassen hat.

"Wir sind Krüppel" steht auf der Einladung zu einer Aktion Günter Brus‘ und damit ist nicht nur das Körperliche gemeint, sondern auch das Geistige. Wir haben viel von unserer Eigenständigkeit an einen Staat abgegeben, der seinen Einfluss weit in den privaten Bereich hinein ausspielt. Somit wird er als Inbegriff einer bedrohlichen Macht wahrgenommen und dieses Bedrohungsszenario spielt in die künstlerische Darstellung hinein. "Der Staat will mich essen, rösten, schlecken, vögeln, einfrieren, auftauen, erfinden. Der Staat … reißt meine Narben auf…", schreibt der Künstler (Günter Brus. Störungszonen, Ausstellungskatalog, Martin-Gropius-Bau, Berlin 2016, S. 33). Somit wird der geschundene Körper zum Ort einer elementaren existentiellen Erfahrung. Günter Brus‘ "Zeichnungen sind nie bloß Illustrationen, sondern stets Einmischungen, Visionen, Erhellungen, Alpträume, Abrechnungen, Selbstentblößungen oder Aufdeckungen" (Gerhard Roth in: Günter Brus. Werkumkreisung, Ausstellungskatalog, Albertina Wien 2003/2004, S. 168).

(Sophie Cieslar)
Günter Brus
Untitled (action drawing)
1965
graphite on paper; unframed
c. 62 x 47 cm
dated and signed on the lower right: 2. Feb 1965 Brus
acquired directly from the artist; since then, private property, Vienna

catalog
  Previous item
Next item